Wie Duft und Hardrock gegen die Lust auf Weihnachtskekse helfen können
Warum der Geruch von Gummibärchen, Hardrock-Musik und heisses Kerzenwachs gegen die Lust auf Weihnachtskekse helfen, verraten zwei Wiener Ärzte.
Sie haben Methoden aus der Suchtmedizin für das Esssverhalten adaptiert.
Die Lust auf Kekse folgt ähnlichen Prinzipien wie Alkohol- oder Drogensucht. Unsere unbändige Lust auf Kekse hat in der Medizin einen Namen: craving. Disziplin lässt sich nicht erzwingen, aber “herbei essen”.
Sich zum Ausgleich zum Sport zwingen zu wollen, bringt nichts.
Wer soll da widerstehen können? An alle, die an Kekstellern nicht vorbei können, ohne zuzugreifen, wenden sich jetzt zwei Suchtmediziner, die Methoden aus ihrer täglichen Arbeit für das Essverhalten adaptiert haben.
Shird Schindler, leitender Arzt am Sozialmedizinischen Zentrum Wien und seine Kollegin, die Neurochirurgin und Psychiaterin Dr. Iris Zachenhofer, arbeiten normalerweise mit Drogen- oder Alkoholsüchtigen.
„Wider besseres Wissen zu viel zu essen, ist solchen Suchtformen sehr ähnlich, auch weil es die Lebensmittelindustrie ganz gezielt darauf anlegt, uns nach ihren Produkten süchtig zu machen”, so die beiden Mediziner. Was also tun, wenn das Verlangen nach Vanillekipferln, Schokosternen oder gebrannten Nüssenüberhandnimmt und ein Kontrollverlust droht?
Kerzenwachs und Gummibären
Dieses Verlangen heisst in der Suchtmedizin „Craving“ und es gibt klinisch vielfach erprobte Gegenmittel, so genannte „Skills“, die sich auch beim Essen anwenden lassen. Heisses Kerzenwachs auf den Oberarm tropfen oder einen Gummiring ans Handgelenk schnalzen lassen gehören ebenso dazu, wie sehr laut Hardrock-Musik zu hören. Schindler und Zachenhofer: „Solche Interaktionen können im Gehirn Prozesse auslösen, die das Craving in den Hintergrund drängen oder ganz verschwinden lassen.“
Ein anderer ihrer Vorschläge für den Notfall: Beim Anblick eines Kekstellers eine Packung Gummibären aufreissen und mehr als zwei Minuten lang die Nase hineinstecken. Zwar können kurzfristige Geruchseindrücke Craving auslösen, hat die Forschung festgestellt, aber nach zwei Minuten Riechen stellt sich ein Sättigungsgefühl ein.
Warnung vor Druck bei Sport und gesunder Ernährung
Überraschend sind die Empfehlungen der beiden Sucht-Spezialisten für Sport und gesunde Ernährung. „Beides sind Begriffe, die viele Menschen unbewusst als Hasswörter abgespeichert haben“, so Schindler und Zachenhofer. „Versuchen sie sich trotzdem dazu zu zwingen, kann das eine gegenteilige Wirkung haben. Sie zeigen dann sogenanntes ‚reaktantes’ Verhalten. Das heisst, ihre Abwehr gegen beides wird noch grösser.“
Das Bedürfnis nach mehr Bewegung entstehe erfahrungsgemäss von selbst, wenn sich Menschen intensiver mit ihrer Ernährung und ihrem Körper zu befassen beginnen. Dieser Prozess trete verlässlich ein, man könne ihn geduldig abwarten. Beim Essen empfehlen die Beiden, auf „wohltuend“statt auf „gesund“ zu setzen.
Disziplin lässt sich herbeizaubern
Auch beim Thema Disziplin orten die beiden Ärzte Missverständnisse. An den eigenen Ernährungsgewohnheiten festzuhalten und einfach weniger zu essen sei ausserordentlich schwierig und auf Dauer kaum durchzuhalten. Disziplin lasse sich aber durch eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten „herbeizaubern“.
So etwa werde ein Teil des Cravings, das sogenannte chemische Craving, aufgrund bestimmter neurologischer Prozesse besonders durch industriell hergestellte und stark verarbeitete Lebensmittel ausgelöst und verstärkt. Eine Ernährung auf Basis natürlicher Lebensmittel und Selbstgekochtem mache es viel leichter, das Verlangen nach mehr Essen zu überwinden und diszipliniert zu sein.
Für den Trick mit dem Duft müssen es übrigens nicht unbedingt Gummibärchen sein. Wer mindestens zwei Minuten lang an Vanillekipferln riecht, kann sich ebenfalls eher beherrschen, sie dann auch zu essen.
Quelle: edition a
Bildquelle: campus a