10. St.Galler Demenz-Kongress: Leben mit Demenz in einer technisierten Welt

Am Mittwoch, 13. November 2024, findet auf dem Gelände der Olma-Messen der 10. St.Galler Demenz-Kongress statt. Thema der diesjährigen Ausgabe: „Was braucht der Mensch? Leben mit Demenz in einer technisierten Welt“.

Bereits am Vorabend, am 12. November, organisieren Alzheimer St.Gallen-Appenzell, das Kompetenzzentrum Demenz der OST – Ostschweizer Fachhochschule und das Theater am Tisch im Centrum St.Mangen eine szenische Lesung zum Stück „Der alte König in seinem Exil“.

„Die Pflege unterliegt in den nächsten Jahren im Zuge der Technisierung und Digitalisierung der Gesellschaft einem starken Wandel. Es ist unstrittig, dass deshalb auch die Pflege neue Wege beschreiten muss“, sagt Steffen Heinrich, Co-Leiter Kompetenzzentrum Demenz der OST – Ostschweizer Fachhochschule.

Doch wie weit darf dieser Wandel gehen? Was ist erforderlich und mit welchen Technologien können Menschen mit Demenz unterstützt werden? Was ist dabei zumutbar und auch moralisch vertretbar? Der 10. St.Galler Demenz-Kongress will dazu Antworten suchen und diese mit vielen weiteren Themen mit den verschiedenen Akteuren und Anspruchsgruppen diskutieren.

Robotik im Einsatz

Die Tagung startet mit einem Referat von Helma M. Bleses, Professorin für Pflegewissenschaften an der Hochschule Fulda. Der Vortrag handelt von der (Un-)Möglichkeit des Einsatzes von Robotik in der Pflege von Personen mit Demenz, von Risiken und Chancen, von Nähe und Distanz, vom „da“ und doch nicht „da sein“, von Sorgen und Nöten, vom Sehen statt bloss Hören und von Bildern im Kopf.



Sven Ziegler vom Universitätsklinikum Freiburg stellt anschliessend Forschungsarbeiten zum Technikeinsatz bei Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen in der Akutpflege vor. Auf dieser Grundlage werden Potenziale und Herausforderungen herausgearbeitet, die Technologien in diesem Zusammenhang bieten bzw. stellen (können). Abschliessend sollen einige Impulse für weitere Entwicklungen – auch mit Blick auf eine sektorenübergreifende Versorgung gegeben werden.

Frühzeitige Diagnose

Hans Jürgen Huppertz vom Schweizerischen Epilepsie-Zentrum in Zürich berichtet von modernen Methoden zur Erkennung von Demenz. Moderne Analyseverfahren erlauben es heutzutage, MRI-Aufnahmen quantitativ auszuwerten und das Volumen des Gehirns und seiner Substrukturen automatisch zu bestimmen.

Durch den Vergleich mit Normkollektiven von gesunden Kontrollen können pathologische Veränderungen von natürlichen Alterungsprozessen differenziert und charakteristische Atrophiemuster verschiedener Demenzformen offengelegt werden.

Darauf aufbauend helfen Machine-Learning-Algorithmen, diese Demenzen und andere neurodegenerative Erkrankungen automatisch zu erkennen und zu unterscheiden. Dieser innovative Ansatz unterstützt die Bemühungen um eine frühzeitige Diagnose und personalisierte Behandlungsstrategie und wird im Vortrag anhand von zahlreichen Bildbeispielen aus dem klinischen Alltag erläutert.

Technik im Einsatz

Eine weitere Keynote ist dem Thema Techniknutzung gewidmet. Der Beitrag von Renate Schramek, Professorin für Bildung, Lebenslanges Lernen und Gesundheitsdidaktik an der Hochschule für Gesundheit in Bochum, betrachtet die technische Entwicklung und die damit zusammenhängenden Herausforderungen und Chancen bei der Nutzung des robotischen Systems RUBYDemenz.



Am Beispiel wird der Ansatz RUBYDemenz beleuchtet, beispielsweise wie die Nutzung erfolgt. Nutzende sind Menschen mit Demenz im eigenen Zuhause und ihre pflegenden Angehörigen. Zudem zeigt Renate Schramek auf, wie das Techniklernen angeregt werden kann. Basis bilden die Erfahrungen aus dem gleichnamigen Forschungsprojekt.

„Wie wollen wir leben?“

Der Nachmittag startet mit verschiedenen Themenblöcken, die von den Kongressteilnehmenden ausgewählt werden können. Abgeschlossen wird der 10. St.Galler Demenz-Kongress mit einem Vortrag zur ethischen Perspektive. Denn die Versorgung von Menschen mit Demenz stellt für unsere Gesellschaft eine grosse fachliche, organisatorische, aber auch emotionale Herausforderung dar.

Angesichts der sich öffnenden Schere zwischen Versorgungsbedarf und verfügbaren Ressourcen bieten sich verschieden Technologien zur Unterstützung der Menschen in diesem Sorgeprozess an. Bei der angestrebten Technisierung geht es nicht darum, lediglich neuere Werkzeuge einzusetzen und dies möglichst klug und umsichtig zu tun.

Mit der Digitalisierung in verschiedenen Versorgungskontexten wird ein neues Paradigma für den Grundvollzug der Sorge um Menschen etabliert, der die ethische Grundfrage „Wie wollen wir leben?“ aufwirft – und überzeugend beantwortet werden muss.

Der Vortrag von Arne Manzeschke, Leiter der Fachstelle Ethik und Anthropologie an der Ev.-Luth. Kirche in Bayern, skizziert die aktuellen Entwicklungen und zugrunde liegenden sozio-technischen Transformationen und entwirft Perspektiven für eine ethisch verantwortliche Gestaltung.

Vorabendprogramm mit szenischer Lesung

Gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum Demenz der OST – Ostschweizer Fachhochschule führt Alzheimer St.Gallen-Appenzell am Dienstag, 12. November, eine Vorabendveranstaltung zum St.Galler Demenz-Kongress durch.

Das Theater am Tisch – bekannt für seine eindrückliche und direkte Weise, literarische Werke zu vergegenwärtigen – zeigt am Vorabend des St.Galler Demenz-Kongresses „Der alte König in seinem Exil“, Arno Geigers Erfolgsroman als szenische Lesung mit Akkordeon.

Erzählt wird die bewegende Geschichte eines demenzkranken Vaters und seines Sohnes, der sich auf eine emotionale Reise durch Erinnerungen begibt.

Die Inszenierung bringt nicht nur die Schönheit und Tiefe von Geigers Roman zum Ausdruck, sondern trägt auch dazu bei, das Bewusstsein für die Herausforderungen und Bedürfnisse von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zu schärfen. Die Veranstaltung findet im Centrum St.Mangen an der Magnihalden in St.Gallen statt.

 

Quelle: OST/Michael Breu
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